„Befristung von Arbeitsverhältnissen beim Jobcenter ohne sachlichen Grund sind Willkür“

Zu der Debatte im Kreistag um sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse im Jobcenter und die diesbezügliche Berichterstattung – heute (am 04.04.24) im Kölner Stadtanzeiger unter der Überschrift „Zankapfel Jobcenter“ – nimmt Hans Decruppe sowohl politisch für die Linksfraktion als auch juristisch-fachlich als Arbeitsrechtler wie folgt Stellung:

„Zunächst ist nicht das Jobcenter als Institution das Streitobjekt, sondern die dort angewachsene Zahl sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse. Für die Arbeitsverhältnisse ist jedoch nicht das Jobcenter verantwortlich, weil die dortigen Beschäftigten einerseits von der Agentur für Arbeit und anderseits vom Rhein-Erft-Kreis angestellt werden. Sonst ständen die befristet Beschäftigten auch nicht auf dem Stellenplan des Rhein-Erft-Kreises, den der Kreistag in seiner Sitzung am 14.03.24 abzustimmen hatte.

Soweit berichtet wurde, dass die SPD-Fraktion im Kreistag gegen den Stellenplan für das Jobcenter gestimmt hat, ist zu ergänzen, dass auch alle Mitglieder der Fraktion Die Linke im Kreistag dem Jobcenter-Stellenplan nicht zugestimmt haben.

In der Sache war die Ablehnung des Stellenplans auch mehr als gerechtfertigt, um ein politisches Signal zu setzen. Die befristet Beschäftigten werden vom Jobcenter angesichts der Arbeitsbelastung und Aufgabenfülle nämlich nicht nur vorübergehend benötigt, sondern dauerhaft. Und aus arbeitsrechtlicher Sicht muss in aller Deutlichkeit gesagt werden:

‚Befristungen von Arbeitsverhältnissen ohne sachlichen Grund sind reine Willkür.‘

Auch im Arbeitsverhältnis gilt der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz: Alle Beschäftigten sind gleich zu behandeln, es sei denn, es gibt eine sachliche Begründung, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Anderenfalls ist Ungleichbehandlung – wie vorliegend: unbefristet einerseits, befristet andererseits – reine Willkür.

Unter dieser Willkür leiden die Beschäftigten, weil sie aufgrund der Befristung nicht wissen, wie sie persönlich und beruflich planen können. Und diese Unsicherheit schlägt vor allem auch auf die Qualität der Arbeit durch. Ein Sachbearbeiter beim Jobcenter, der ständig selbst auf der Suche nach einer sicheren und dauerhaften Beschäftigung ist, hat den Kopf nicht richtig frei, um sich effektiv um die Sorgen und Belange von Langzeitarbeitslosen und deren Jobsuche kümmern zu können.

Dass die Gesetzeslage (das Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) nach wie vor sachgrundlose Befristungen erlaubt, muss als ‚Willkür per Gesetz‘ kritisiert werden und gehört abgeschafft.

Wenn demgegenüber der Fraktionsvorsitzende der CDU Willi Zylajew behauptet, das Jobcenter könne ohne gültigen Stellenplan ausschließlich befristete Einstellungen, keine Beförderungen und keine Entfristungen vornehmen, so ist das eine grobe Verdrehung der Fakten und der Rechtslage. Hier ist zunächst festzustellen, dass in rechtlicher Hinsicht das Jobcenter bei den vom Kreis gestellten Beschäftigten keine Einstellungen, Beförderungen oder Entfristungen vornehmen kann. Das kann arbeitsrechtlich nur der Kreis als anstellende Behörde. Und da hat nun mal der Kreistag das Sagen. Auch ohne Stellenplan könnte das Jobcenter ohne Probleme weiterarbeiten; es müsste nur der Stellenplan vom Kreis überarbeitet und die befristet Beschäftigten in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen werden. – Aber das will Zylajew aus politischen Gründen nicht. Das sollte er dann auch ehrlich sagen.“