Antrag „Regelungen für die Kosten der Unterkunft (KdU) unverzüglich überarbeiten und an die realen Mietkosten anpassen“

Dieser Antrag wurde am 08.12.2022 vom Kreisausschuss in die Sitzung des Sozialausschusses am 15.02.2023 verwiesen und dort behandelt.

Die Fraktion beantragt:
Die Fraktion DIE LINKE bittet Sie, den Punkt

„Regelungen für die Kosten der Unterkunft (KdU) unverzüglich überarbeiten und an die realen Mietkosten anpassen“

in die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Kreistages am 08.12.2022 aufzunehmen. Zu diesem Tagesordnungspunkt stellen wir folgenden Beschlussentwurf zur Abstimmung:

  1. Die Verwaltung wird beauftragt, die Überarbeitung der Regelungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II und § 35 SGB XII (sog. Kosten der Unterkunft - KdU) unverzüglich zu veranlassen.
  2. Die erforderlichen Haushaltsmittel sind im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen dafür bereitzustellen.

Sachdarstellung:

Mieter sind aktuell von den drastisch steigenden Lebenshaltungskosten und Preissteigerungen bei Energie, Strom- und Heizkosten stark betroffen. Dies gilt insbesondere für Menschen, die ihre Mietkosten mit Sozialleistungen, wie der  Grundsicherung, bestreiten müssen. Für diese Gruppe ist die Preis- und Mietkostenentwicklung akut existenzgefährdend. Das ist offenkundig.

Für diese Situation der akut existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende extreme Preissteigerungen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden:

„Ergibt sich eine offensichtliche und erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf reagieren. So muss die Entwicklung der Preise für Haushaltsstrom berücksichtigt werden (...). Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.“ (Beschluss des BVerfG vom 23.07.2014 - 1 BvL10/12, Rn 144)

Diese das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes konkretisierende Rechtsprechung gilt nicht nur für den Gesetzgeber. Auch die Sozialverwaltungen, wie Sozialämter und Jobcenter, haben diese Rechtsprechung zwingend zu beachten. Das gilt auch für den Kreis als Träger der Kosten der Unterkunft.

Der Kreis legt mit eigenständigen Regelungen – dem sog. „schlüssigen Konzept“ - die Höhe der angemessenen Miete fest, die das Jobcenter und die Sozialämter gemäß § 22 SGB II bzw. § 35 SGB XII als Kosten der Unterkunft (KdU) an anspruchsberechtigte Grundsicherungsempfänger zahlen. Im Falle unvermittelt auftretender, extremer Preissteigerungen – also hier im Falle extremer Steigerungen der Kosten der Unterkunft und der Heizung – darf der Kreis nicht auf die reguläre Fortschreibung des sog. „schlüssigen Konzepts“ warten; er ist vielmehr verpflichtet, zeitnah zu reagieren.

Angesichts der aktuell extremen Preissteigerungen bei Energie-, Strom- und Heizkosten ist das für den Rhein-Erft-Kreis geltende „schlüssige Konzept“ für die Kosten der Unterkunft völlig überholt und zeitnah der Miet-, Energie- und Heizkostenentwicklung anzupassen. So liegt die Grenze für auffallend hohe warme Nebenkosten bei einem Ein-Personen-Haushalt nach dem aktuellen Konzept bei 90 Euro. Angesichts der Preisentwicklungen ist das kein realistischer Wert. Außerdem gibt es im aktuellen schlüssigen Konzept des Kreises einen Klimabonus (also einen zusätzlichen Bonus auf die Grenze der Nettokaltmiete) für Heizkosten von unter 30 Euro monatlich. Auch dieser Klimabonus kann realistischerweise bei den aktuellen Preisentwicklungen im Bereich Energie nicht eingehalten werden.

Zudem geht aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Wohnkostenlücke 2021" der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hervor, dass im Jahr 2021 im Rhein-Erft-Kreis für 2.165 Haushalte im SGB°II-Bezug nicht die vollen Kosten der Unterkunft übernommen wurden. Das sind 15 Prozent der Haushalte im Hartz IV-Bezug. Sie mussten bereits im letzten Jahr monatlich im Durchschnitt 87,48 Euro ihres Existenzminimums dafür verwenden, Miete und Heizung bezahlen zu können (siehe: Bundestagsdrucksache 20/3018 - https://dserver.bundestag.de/btd/20/030/2003018.pdf).

Eine Aktualisierung des „schlüssigen Konzeptes muss daher unverzüglich, also mit höchster Priorität erfolgen. Das neue Konzept muss zudem ab 01.01.2023 Anwendung finden, da mit Ende dieses Jahres die sog. „Sozialschutzpakete“ auslaufen, die derzeit bei Hartz IV- und Grundsicherungsbezug eine Kürzung der Erstattung tatsächlich gezahlter Miet- und Nebenkosten ausschließen.

Aus der Beantwortung der Anfrage unserer Fraktion vom 11.08.22 (Drucksache322/2022 1. Ergänzung) ergibt sich jedoch, dass von Seiten der Kreisverwaltung erst für den Zeitraum ab 2024 eine Überarbeitung des aktuell geltenden „schlüssigen Konzepts“erfolgen soll. Das ist zu spät und mit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten sozialstaatlichen Anforderungen nicht vereinbar.

Deshalb bitten wir, unserem Antrag zuzustimmen.

Mit freundlichen Grüßen

Hans Decruppe

(Fraktionsvorsitzender)