Antrag „Gründung und Förderung einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft (EEG) für den Rhein-Erft-Kreis“
Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Kreisentwicklung und Energie am 08.03.2023
Sehr geehrter Herr Dr. Nawrath,
zum Tagesordnungspunkt 6 der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Kreisentwicklung und Energie am 08. März 2023
„Gründung und Förderung einer Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft für den Rhein-Erft-Kreis“
stellt die Fraktion DIE LINKE folgenden Antrag zur Abstimmung:
- Der Rhein-Erft-Kreis unterstützt die Gründung einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft für den Rhein-Erft-Kreis (EEG-Rhein-Erft). Diese Gemeinschaft ist entsprechend der gesetzlichen Vorgaben in §§ 22 ff. des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG 2023) und auf Basis des Artikels 2 Ziffer 16 der EU-Richtlinie 2018/2001 eine Rechtsperson, an der sich natürliche Personen, Gemeinden oder kleine und mittlere Unternehmen aus dem Kreis beteiligen können. Ihr Zweck liegt vorrangig nicht im finanziellen Gewinn, sondern maßgeblich darin, ihren Mitgliedern oder Anteilseignern oder den Gebieten vor Ort, in denen sie tätig ist, ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile zu bringen.
- Um die Gründung der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft Rhein-Erft (EEG-Rhein-Erft) nach Ziffer 1 vorzubereiten, insbesondere um interessierte Bürger u.a. aus dem Kreis in fachlichen, technischen, rechtlichen und weiteren Fragen zu beraten, wird als erster Schritt ein Beratungsprojekt eingerichtet, das auf Kreisebene, zum Beispiel bei der Energie-Kompetenz-Zentrum Rhein-Erft-Kreis GmbH (EkoZet), angesiedelt wird.
- Zur Finanzierung des Beratungsprojektes wird der Rhein-Erft-Kreis Fördermittel, z. B. im Rahmen des STARK-Programmes und/oder anderer geeigneter Förderprogramme, beantragen und bis zum Jahr 2030 hierzu einen Eigenbeitrag i.H.v. 50 TEUR jährlich in den Kreishaushalt einstellen.
- Eine direkte Beteiligung des Rhein-Erft-Kreises an der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) wird angestrebt. Sie bedarf einer besonderen Beschlussfassung. Hierzu müssen die Vertragsgrundlagen der Gemeinschaft vorliegen.
Begründung:
Wie die von unserer Fraktion abgefragten Zahlen zur regenerativen Energieerzeugung sehr deutlich zeigen, stockt der Ausbau der regenerativen Energien auch im Kreisgebiet vielerorts (siehe Drucksache 182/2022)[1]. Beim Umstieg auf erneuerbare Energien benötigt es, wie der Landrat in seiner Haushaltsrede am 08.12.22 zu Recht betont hat, „einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung“. Der Aufbau einer im Rhein-Erft-Kreis tätigen, von den Bürgern, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU, insbesondere Handwerksbetrieben) unter Beteiligung des Kreises und ggf. kommunaler Gebietskörperschaften gebildeten „Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft (EEG-Rhein-Erft)“ wäre ein solcher Beitrag zu dieser gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung. Er könnte zu der dringend notwendigen Beschleunigung des Ausbaus regenerativer Energien beitragen.
Die Gründung einer EEG-Rhein-Erft wäre zugleich eine passgenaue Ergänzung zu dem vom Landrat in seiner Haushaltsrede vorgesehenen Vorschlag, im Haushaltsentwurf für die kommenden Jahre je 1 Million EUR einzuplanen, um die Anschaffung privater Photovoltaikanlagen oder Batteriespeicher mit je 1.000 EUR zu bezuschussen.
Der für die Gründung einer EEG-Rhein-Erft erforderliche Rechtsrahmen besteht. Er müsste nur umgesetzt werden.
Bereits im Jahr 2018 erließ die EU die maßgebliche Richtlinie 2018/2001. Darin werden die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, sog. „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften“ zu fördern. Eine „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft“ ist darin definiert als
„eine Rechtsperson,
a) die, im Einklang mit den geltenden nationalen Rechtsvorschriften, auf offener und freiwilliger Beteiligung basiert, unabhängig ist und unter der wirksamen Kontrolle von Anteilseignern oder Mitgliedern steht, die in der Nähe der Projekte im Bereich erneuerbare Energie, deren Eigentümer und Betreiber diese Rechtsperson ist, angesiedelt sind,
b) deren Anteilseigner oder Mitglieder natürliche Personen, lokale Behörden einschließlich Gemeinden, oder KMU sind,
c) deren Ziel vorrangig nicht im finanziellen Gewinn, sondern darin besteht, ihren Mitgliedern oder Anteilseignern oder den Gebieten vor Ort, in denen sie tätig ist, ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile zu bringen“.[2]
Nach Artikel 22 dieser EU-Richtlinie ist u.a. bestimmt:
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften berechtigt sind,
a) erneuerbare Energie zu produzieren, zu verbrauchen, zu speichern und zu verkaufen, und zwar auch im Rahmen von Verträgen über den Bezug von erneuerbarem Strom;
b) innerhalb der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (…) die mit Produktionseinheiten im Eigentum der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft produzierte erneuerbare Energie gemeinsam zu nutzen;
c) sowohl direkt als auch über Aggregatoren nichtdiskriminierenden Zugang zu allen geeigneten Energiemärkten zu erhalten.
(3) (…)
(4) Die Mitgliedstaaten schaffen einen Regulierungsrahmen, der es ermöglicht, die Entwicklung von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften zu unterstützen und voranzubringen. Mit diesem Rahmen wird unter anderem sichergestellt, dass
a) ungerechtfertigte rechtliche und verwaltungstechnische Hindernisse für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften beseitigt werden;
b) Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, wenn sie Energie liefern, Aggregierungsdienste oder andere gewerbliche
Energiedienstleistungen erbringen, den für diese Tätigkeiten geltenden Bestimmungen unterliegen;
c) der jeweilige Verteilernetzbetreiber mit Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften zusammenarbeitet, um Energieübertragungen innerhalb von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften zu erleichtern;
d) für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften faire, verhältnismäßige und transparente Verfahren, auch für die Registrierung und Zulassung, und kostenorientierte Netzentgelte sowie einschlägige Umlagen, Abgaben und Steuern gelten, mit denen sichergestellt wird, dass sie sich gemäß einer von den zuständigen nationalen Stellen erstellten, transparenten Kosten-Nutzen-Analyse der dezentralen Energiequellen, angemessen und ausgewogen an den Systemgesamtkosten beteiligen;
e) Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften hinsichtlich ihrer Tätigkeiten, Rechte und Pflichten als Endkunden, Produzenten, Versorger, Verteilernetzbetreiber oder als sonstige Marktteilnehmer diskriminierungsfrei behandelt werden;
f) die Beteiligung an Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften allen Verbrauchern offensteht, auch jenen, die in einkommensschwachen oder bedürftigen Haushalten leben;
g) Instrumente verfügbar sind, die den Zugang zu Finanzmitteln und Informationen erleichtern;
h) öffentliche Stellen bei der Schaffung der Voraussetzungen für und der Gründung von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften sowie zur Erleichterung ihrer direkten Beteiligung daran Unterstützung in Regulierungsfragen und beim Kapazitätenaufbau erhalten;
i) Vorschriften vorhanden sind, mit denen sichergestellt wird, dass an der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft beteiligte Verbraucher gleichberechtigt und diskriminierungsfrei behandelt werden.
Auf der Basis dieses EU-Rechts ist zum 01.01.2023 die Reform des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG 2023) in Kraft getreten.[3] In § 3 Ziffer 15 dieses Gesetzes wird die „Bürgerenergiegesellschaft“ definiert als
jede Genossenschaft oder sonstige Gesellschaft,
a) die aus mindestens 50 natürlichen Personen als stimmberechtigten Mitgliedern oder stimmberechtigten Anteilseignern besteht,
b) bei der mindestens 75 Prozent der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die in einem Postleitzahlengebiet, das sich ganz oder teilweise im Umkreis von 50 Kilometern um die geplante Anlage befindet, (…)
c) bei der die Stimmrechte, die nicht bei natürlichen Personen liegen, ausschließlich bei Kleinstunternehmen, kleinen oder mittleren Unternehmen nach der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) oder bei kommunalen Gebietskörperschaften sowie deren rechtsfähigen Zusammenschlüssen liegen, und
d) bei der kein Mitglied oder Anteilseigner der Gesellschaft mehr als 10 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft hält, (…).
Da die Möglichkeiten einer „Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft“, d.h. auch die Möglichkeiten der Beteiligung und die Vorteile einer solchen Gemeinschaft, vielfach und sogar unter Fachleuten nicht bekannt sind, wird im ersten Schritt im Vorfeld einer Gründung eine Informations- und Beratungsphase erfolgen müssen. Diese muss die verschiedenen Aspekte von technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen abdecken. Aus diesem Grunde sollte ein Beratungsprojekt in die Wege geleitet und entsprechende Fördermittel, u.a. aus den Mittel der Strukturwandelförderung, aber auch aus anderen Fördermaßnahmen, vom Kreis beantragt werden.
Bei zu beantragenden Fördermitteln von 200 TEUR p.a. läge der Eigenanteil von 20 % der Projektkosten bei 50 TEUR jährlich, die in den Kreishaushalt einzustellen sind.
Nach unseren Vorstellungen wäre es sachgerecht, das Beratungsprojekt bei dem bereits in Beratungsfragen etablierten Energie-Kompetenz-Zentrum Rhein-Erft-Kreis GmbH (EkoZet) anzusiedeln.
Parallel sollten die weiteren Schritte in der Vorgründung einer EEG-Rhein-Erft gegangen werden, wie die Planung der rechtlichen Struktur der Gemeinschaft, damit eine Gründung bis Ende des Jahres realisiert werden kann.
Um den Vorgaben der EU und sozialstaatlichen Anforderungen zu genügen, sind hierbei insbesondere auch Aspekte der Beteiligungsmöglichkeiten für einkommensschwache und bedürftige Haushalte, wie sozial gestaffelte Beteiligungen, vergünstigter Bezug von Energie, Mieterstromregelungen etc. zu berücksichtigen.
Den zunächst parallel gestellten Antrag im Regionalausschuss werden wir dort nicht stellen und zurücknehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Decruppe
(Fraktionsvorsitzender))
[1]www.rhein-erft-kreis.de/sdnet/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZb2voB65jlxnbvhXfRDz71ZL54XyPO9C78tLNRrO59ug/Mitteilungsvorlage_182-2022_1._Ergaenzung.pdf#search=182/2022
[2]eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018L2001&from=DE.
[3]www.gesetze-im-internet.de/eeg_2014/index.html#BJNR106610014BJNE002306311