Warum wurde die Bevölkerung nicht rechtzeitig, sondern viel zu spät gewarnt?

Unter der Überschrift „Schicksal von fünf Menschen ungewiss“ zitiert der KStA am heutigen Tage (21.07.21) im Lokalteil Herrn Landrat Rock zu Maßnahmen der Unwetterwarnung. Es heißt dort: „Der Kreis habe umfangreich vor dem Unwetter und auch vor einem möglichen Dammbruch über die Apps Nina, Katwarn und Mowas gewarnt, zudem sei Sirenenalarm ausgelöst worden, auch in Blessem, sagte Rock. „Wir haben alles dafür getan, dass die Bevölkerung gewarnt ist“, sagte

Rock. „Aber es ist nicht auszuschließen, dass bei solch einer Naturkatastrophe nicht jeder erreicht wird.“ Die Aussage von Herrn Rock, „alles getan zu haben,“ ist „politisch selbstgefällig“, kritisiert die Linke im Kreistag. „Sie steht nach den uns vorliegenden Informationen nicht im Einklang mit den Fakten,“ erklärt der Fraktionsvorsitzende Hans Decruppe, denn es wurde offensichtlich nicht rechtzeitig, sondern viel zu spät gewarnt. Jedenfalls besteht großer Klärungsbedarf. Wir haben eine Menge Fragen an den Landrat und die für den Katastrophenschutz und Warnungen zuständige Kreisverwaltung.“

 

Die Linke im Kreistag hat bereits einen Entwurf für eine große Anfrage im Kreistag vorbereitet. Aus den Fragen ergibt sich massive Kritik am Warnsystem im Kreis. So wird darauf verwiesen, dass der Deutsche Wetterdienst (DWD) bereits frühzeitig am Montag, den 12.07.21, eine Unwetterwarnung für das Kreisgebiet abgegeben und vor Starkregen mit Überflutungsgefahr (lokale Regenmengen bis 200l/m²) gewarnt habe. Auch die Pegelstände der Erft hätten bereits am 14.07.21 kurz nach Mittag extremes Hochwasser angekündigt. Gleichwohl wurde der Katastrophenfall in Erftstadt erst am Donnerstag, den 15.07.21 um 11.25 Uhr ausgerufen. Der Kreis rief den Katastrophenfall kurz danach um 13.00 Uhr aus.
Da waren also mehrere Tage nach der Unwetterwarnung und fast 24 Stunden seit den gemessenen extremen Pegelständen an der Erft vergangen.

Die Linke wirft daher die Frage auf:
Warum wurde die Bevölkerung nicht rechtzeitig, sondern viel zu spät – nämlich erst nach Tage nach der Unwettervorhersage und erst viele Stunden nach den bedrohlichen Pegelständen der Erft ‐ gewarnt?

In dem Vorabentwurf der Anfrage der Linken im Kreistag heißt es hierzu: Katastrophenschutz ist vor allem eine föderale und regionale und damit kommunale Angelegenheit. So
bestimmt in NRW das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) in § 4 Abs. 2:
„Die Kreise treffen die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Bekämpfung von Großeinsatzlagen und Katastrophen. Sie leiten und koordinieren den Einsatz zur Gefahrenabwehr. Hierfür halten sie Einheiten sowie Einrichtungen vor.“
Also ist zu fragen, ob im konkreten Fall des Starkregens im Kreisgebiet und der Überflutung der Erft von der Kreisverwaltung des Rhein‐Erft‐Kreises „die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Bekämpfung von Großeinsatzlagen und Katastrophen“ getroffen wurden.

Hier gibt es in der Tat offene Fragen:
I. Nach den vorliegenden Informationen warnte nicht nur EFAS (das europäische Hochwasser‐Warnsystem) frühzeitig, sondern

  • der Deutsche Wetterdienst (DWD) gab bereits am Montag, den 12.07.21 (Bild 1), eine Warnmeldung, dass bis Donnerstag im Kreisgebiet mit lokalen Niederschlägen bis zu 200 l/m“ zu rechnen sei.
  • Einen Tag später, am 13.07.21 (Bild 2), wurde die Warnung des DWD drastisch erhöht.
  • Und am Mittwoch, den 14.07.21(Bild 3) morgens erneuert.

Hier stellen sich konkret folgende Fragen:

  1. Wann wurden die vorzitierten Warnungen des DWD von der Kreisverwaltung jeweils zur Kenntnis genommen und im Hinblick auf den Hochwasser‐ und Katastrophenschutz im Kreis bewertet und verarbeitet?
  2. Durch welche weiteren Stellen (z.B. Erftverband u.a.) wurde die Kreisverwaltung gewarnt?
  3. Wann gingen diese weiteren Warnungen ein und wann wurden sie im Hinblick auf Hochwasserund Katastrophenschutz bewertet und verarbeitet?
  4. Wie wurden die Unwetterwarnungen des DWD vom 12.07.21, 13.07.21 und 14.07.21 sowie die Warnungen anderer Stellen jeweils bewertet?
  5. Wurden die Bewertungen dokumentiert? Wenn ja, in welcher Form? Wo sind die Bewertungen einsehbar (§ 2 UIG NRW, § 26 Abs. 4 Satz 2 KrO NRW)?
  6. Welche Maßnahmen in Umsetzung des BHKG wurden nach den Unwetterwarnungen des DWD vom 12.07.21, 13.07.21 und 14.07.21 und anderer Stellen jeweils beraten und beschlossen?
  7. Wurden die zu ergreifenden Maßnahmen dokumentiert? Wenn ja, in welcher Form? Wo ist die Dokumentation der Maßnahmen einsehbar (§ 2 UIG NRW, § 26 Abs. 4 Satz 2 KrO NRW)

II. Am 14.07.21 bestätigten die Pegel an der Erft die Unwetterwarnungen des DWD. Die Pegel an der Erft und ihren Zuflüssen meldeten die Überschreitung der Hochwasserpegel; so um kurz nach Mittag des 14.07.21 der Pegel Eicherscheid hinter Bad Münstereifel. Um 21 Uhr durchbrach der Wasserstand der Erft dort sogar den Hochwasser‐Extrempegel; kurz danach war eine Messung nicht mehr möglich. Der Pegel Bliesheim im Stadtgebiet Erftstadt meldete ebenfalls am 14.07.21 kurz nach Mittag die Überschreitung des HOWIS‐Warnwertes; gegen 6 Uhr morgens des Folgetages (15.07.21) wurde der Pegel für Extrem‐Hochwasser in nie dagewesener Höhe überschritten.

Auch hier stellen sich konkret folgende Fragen:

  1.  Wann wurden die vorstehend dargestellten Hochwasser‐Pegelstände von der Kreisverwaltung jeweils zur Kenntnis genommen und im Hinblick auf Hochwasser‐ und Katastrophenschutz bewertet und verarbeitet?
  2. Wie wurden die vorstehend dargestellten Hochwasser‐Pegelstände jeweils bewertet?
  3.  Wurden die Bewertungen dokumentiert? Wenn ja, in welcher Form? Wo ist die Bewertung einsehbar (§ 2 UIG NRW, § 26 Abs. 4 Satz 2 KrO NRW)?

4. Welche Maßnahmen in Umsetzung des BHKG wurden angesichts der Pegelstände jeweils
beraten und beschlossen?
5. Wurden die zu ergreifenden Maßnahmen dokumentiert? Wenn ja, in welcher Form? Wo ist die
Dokumentation der Maßnahmen einsehbar (§ 2 UIG NRW, § 26 Abs. 4 Satz 2 KrO NRW)?


III. Ausweislich der Veröffentlichung in den Medien (siehe KStA vom 16.07.21 – Seite 22) wurde in
Erftstadt der Katastrophenfall am Donnerstag, den 15.06.21, um 11.25 Uhr ausgerufen; von der
Kreisverwaltung kurz danach um 13 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Extremhochwasser der Erft das
Kreisgebiet längst erreicht und bereits große Teile von Erftstadt unter Wasser gesetzt.
Hier stellen sich folgende Fragen:
1. Warum wurde trotz vorliegender Warnungen erst so spät am Donnerstag, den 15.07.21, der
Katastrophenfall ausgerufen?
2. Wann wurde von der Kreisverwaltung ein Krisenstab eingesetzt?
3. Wann erfolgten die ersten konkreten Hochwasser‐Warnungen an die betroffene Bevölkerung im Kreisgebiet? Bitte differenziert nach Städten und Stadtteilen darstellen?
4. Wie (konkret mit welchen Medien, Techniken etc.) erfolgten die Warnungen?
5. Wann und wie erfolgte die Warnung in den Stadtteilen der besonders betroffenen Stadt Erftstadt?
6. Hat das Früh‐Warnsystem und/oder das Vorwarnsystem bei derartigen Katastrophenfällen aus Sicht der Kreisverwaltung funktioniert? Oder hat das Warnsystem Defizite, die behoben werden müssen?
Wenn ja, um welche Defizite handelt sich?
Wenn ja, welche Maßnahmen zur Behebung der Defizite schlägt die Kreisverwaltung vor?

 

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